1 00:00:00,000 --> 00:00:03,440 “Eine Diagnostik ist verdinglichend und macht Menschen zu Objekten.” 2 00:00:03,440 --> 00:00:04,560 Das ist der größte Vorwurf, 3 00:00:04,560 --> 00:00:07,120 den sich die Diagnostik in der Sozialen Arbeit anhören muss. 4 00:00:07,120 --> 00:00:10,120 Allerdings wird außer Acht gelassen, dass es Gütekriterien gibt, 5 00:00:10,120 --> 00:00:11,760 die genau das verhindern sollen. 6 00:00:14,760 --> 00:00:16,080 In diesem Video erklären wir, 7 00:00:16,080 --> 00:00:19,880 warum Gütekriterien in der Sozialen Arbeit überhaupt notwendig sind. 8 00:00:19,880 --> 00:00:22,640 Wir klären das Verhältnis von Verfahren und Prozess 9 00:00:22,640 --> 00:00:25,960 und gehen auf idiografische und nomothetische Instrumente, 10 00:00:25,960 --> 00:00:29,360 sowie deren Gütekriterien ein Ihr seid hier ebenfalls richtig, 11 00:00:29,360 --> 00:00:33,120 falls ihr schon immer mal wissen wolltet, was binärklassifikatorische Güte ist. 12 00:00:33,120 --> 00:00:36,360 Zu guter Letzt gehen wir noch auf die Prozessgütekriterien ein. 13 00:00:36,360 --> 00:00:37,137 Und ja, das ist eine ganze Menge, 14 00:00:37,137 --> 00:00:37,937 Und ja, das ist eine ganze Menge, 15 00:00:37,937 --> 00:00:37,960 Und ja, das ist eine ganze Menge, 16 00:00:37,960 --> 00:00:42,000 aber dafür wisst ihr am Ende des Videos, dass das Argument der Verdinglichung 17 00:00:42,000 --> 00:00:43,200 entkräftet werden kann. 18 00:00:43,200 --> 00:00:44,360 Also, los geht's! 19 00:00:47,600 --> 00:00:51,720 Zunächst stellt sich die Frage, warum und wofür wir Gütekriterien benötigen. 20 00:00:51,720 --> 00:00:53,480 Wie wir in den ersten beiden Videos gesagt 21 00:00:53,480 --> 00:00:57,240 haben, ist Diagnostik - und sind Diagnosen sehr voraussetzungsvoll. 22 00:00:57,240 --> 00:01:00,400 In beiden Fällen, also sowohl bei dem Diagnostizieren 23 00:01:00,400 --> 00:01:03,160 als auch bei den Diagnosen (also dem Ergebnis) 24 00:01:03,160 --> 00:01:07,320 muss unter anderem vorausgesetzt werden können, dass diese Prüfungen standhalten. 25 00:01:07,320 --> 00:01:10,480 Das ist umso wichtiger, wenn Diagnosen starke Konsequenzen 26 00:01:10,480 --> 00:01:12,680 zur Folge haben (wie zum Beispiel beim Kindeswohl, 27 00:01:12,680 --> 00:01:14,040 wie im ersten Video thematisiert). 28 00:01:14,040 --> 00:01:18,040 Umso dramatischer die Folgen von Diagnosen und Diagnostik sein könnten, 29 00:01:18,040 --> 00:01:20,600 desto wichtiger ist es, dass sie eine hohe Güte haben. 30 00:01:20,600 --> 00:01:22,800 Unter Güte kann man Verschiedenes verstehen, 31 00:01:22,800 --> 00:01:24,240 wie ihr später noch sehen werdet. 32 00:01:24,240 --> 00:01:27,320 Umgangssprachlich ausgedrückt meint Güte aber einfach Qualität - 33 00:01:27,320 --> 00:01:31,520 hohe Güte, also gleich hochwertige Instrumente, Ergebnisse usw. 34 00:01:31,520 --> 00:01:35,640 Bezogen ist die Güte von Diagnostik und Diagnosen in der Sozialen Arbeit 35 00:01:35,640 --> 00:01:40,240 sowohl auf einzelne Instrumente, aber genauso auch auf diagnostische Prozesse. 36 00:01:40,240 --> 00:01:44,040 Wenden wir uns also im nächsten Schritt der Unterscheidung von Verfahren und Prozess zu. 37 00:01:47,280 --> 00:01:49,280 Der diagnostische Prozess ist 38 00:01:49,280 --> 00:01:51,640 die Abfolge von Maßnahmen zur Gewinnung, 39 00:01:51,640 --> 00:01:55,720 Auswertung und Interpretation diagnostischer Informationen. 40 00:01:55,720 --> 00:01:57,640 Damit dies gelingt, werden im diagnostischen 41 00:01:57,640 --> 00:02:02,560 Prozess Verfahren bzw Instrumente und Methoden verwendet. 42 00:02:02,560 --> 00:02:06,400 Galuske unterscheidet in Konzepte, Methoden und Verfahren. 43 00:02:06,400 --> 00:02:10,280 Ein Konzept ist ein 44 00:02:14,920 --> 00:02:15,520 Als Beispiel 45 00:02:15,520 --> 00:02:18,560 ist das Konzept der Lebensweltorientierung von Thiersch zu nennen. 46 00:02:18,560 --> 00:02:22,000 Methoden gelten demnach als Teilaspekte von Konzepten, 47 00:02:22,000 --> 00:02:23,760 so wie die soziale Gruppenarbeit. 48 00:02:23,760 --> 00:02:28,480 Geißler und Hege bezeichnen sie als “vorausgedachte[n] Plan der Vorgehensweise”. 49 00:02:28,480 --> 00:02:31,600 Sie umfassen eine Bandbreite an Verfahren und Techniken. 50 00:02:31,600 --> 00:02:35,320 Verfahren und Techniken, sind also wiederum einen Schritt seiner gedacht. 51 00:02:35,320 --> 00:02:37,400 Sie meinen ganz konkrete Handlungsschritte. 52 00:02:37,400 --> 00:02:42,000 Zum Beispiel ist die sozialpädagogische Diagnose nach Mollenhauer und Uhlendorf 53 00:02:42,000 --> 00:02:43,600 als Verfahren zu verstehen. 54 00:02:43,600 --> 00:02:48,120 Ritscher beschreibt den diagnostischen Prozess als Spirale mit fünf Ebenen 55 00:02:48,120 --> 00:02:52,560 und stellt damit das Verhältnis zwischen Instrumenten und Prozess dar. 56 00:02:52,560 --> 00:02:55,720 An erster Stelle steht die Informationssammlung mithilfe 57 00:02:55,720 --> 00:02:59,320 diagnostischer Instrumente, zum Beispiel durch ein Interview. 58 00:02:59,320 --> 00:03:03,840 Diagnostizierende Fachkräfte sollten sich vorher bewusst machen, mit welchem Auftrag 59 00:03:03,840 --> 00:03:07,200 und zu welcher Fragestellung sie Informationen gewinnen wollen. 60 00:03:07,200 --> 00:03:11,240 Gleichzeitig beinhaltet diese Ebene eine erste Bildung von Hypothesen, 61 00:03:11,240 --> 00:03:14,760 die im dritten Schritt überprüft und gegebenenfalls revidiert werden. 62 00:03:14,760 --> 00:03:17,960 Im zweiten Schritt werden gewonnene Informationen systematisiert - 63 00:03:17,960 --> 00:03:19,840 bspw. können Informationen 64 00:03:19,840 --> 00:03:23,560 über Familienverhältnisse in ein Genogramm eingetragen werden. 65 00:03:23,560 --> 00:03:27,680 Drittens werden die gewonnenen Informationen durch einen Bezug zu theoretischen 66 00:03:27,680 --> 00:03:28,840 Begriffen verdichtet. 67 00:03:28,840 --> 00:03:32,200 Vorherige Hypothesen oder gar unreflektierte Vorurteile 68 00:03:32,200 --> 00:03:36,560 werden verworfen, vorläufig bestätigt, verändert oder neu gebildet. 69 00:03:36,560 --> 00:03:40,480 Als Methoden stehen hierfür unter anderen Eigen- und Teamreflexion 70 00:03:40,480 --> 00:03:42,480 sowie Supervision zur Verfügung. 71 00:03:42,480 --> 00:03:44,680 Basierend auf den gewonnenen Informationen 72 00:03:44,680 --> 00:03:47,680 werden auf der vierten Ebene Interventionen gestaltet. 73 00:03:47,680 --> 00:03:50,080 Möglicherweise wird bei einem Familienkonflikt 74 00:03:50,080 --> 00:03:52,000 eine Familienaufstellung durchgeführt. 75 00:03:52,000 --> 00:03:53,920 Dabei treten weitere Informationen 76 00:03:53,920 --> 00:03:57,960 zutage, auf deren Basis sich die Schritte 1 bis 4 wiederholen. 77 00:03:57,960 --> 00:04:01,960 Die fünfte Ebene bedeutet, dass es sich um einen zirkulären Prozess handelt. 78 00:04:01,960 --> 00:04:05,120 Zusammengefasst heißt das, dass wir den Prozess als Fachkraft 79 00:04:05,120 --> 00:04:06,920 maßgeblich gestalten 80 00:04:06,920 --> 00:04:09,760 und Reflexion dabei eine wichtige Rolle spielt. 81 00:04:09,760 --> 00:04:13,360 Damit dies professionell gelingt, gibt es Prozessgütekriterien. 82 00:04:13,360 --> 00:04:15,240 Darauf gehen wir später ein Video ein. 83 00:04:15,240 --> 00:04:18,800 Erstmal kommen wir zurück zu den Instrumenten und deren Gütekriterien. 84 00:04:22,040 --> 00:04:23,520 Instrumentengütekriterien 85 00:04:23,520 --> 00:04:26,800 beziehen sich auf - wer hätte das gedacht - die Instrumente selbst. 86 00:04:26,800 --> 00:04:29,120 Es geht dabei um die Frage, welche Anforderungen 87 00:04:29,120 --> 00:04:32,480 ein Instrument erfüllen muss, damit die Informationen von hoher Güte sind. 88 00:04:32,480 --> 00:04:35,120 Die Instrumente lassen sich noch weiter in idiografische 89 00:04:35,120 --> 00:04:36,840 und nomothetische Verfahren unterteilen. 90 00:04:36,840 --> 00:04:39,200 Je nachdem, welcher Gegenstand untersucht wird, 91 00:04:39,200 --> 00:04:42,400 verwendet man idiografische oder nomothetische Instrumente. 92 00:04:42,400 --> 00:04:44,920 Falls ihr diese Wörter noch nie gehört habt, keine Sorge, 93 00:04:44,920 --> 00:04:45,640 ich erkläre euch das. 94 00:04:45,640 --> 00:04:48,080 Idiografisch basiert auf dem griechischen Wort 95 00:04:48,080 --> 00:04:51,160 “idiógraphos”, was eigenständig geschrieben bedeutet. 96 00:04:51,160 --> 00:04:54,160 Sinngemäß kann es mit “das Einmalige” übersetzt werden. 97 00:04:54,160 --> 00:04:57,440 Idiografische Instrumente zielen demnach auf das Verstehen 98 00:04:57,440 --> 00:04:59,360 von subjektiven Sinnkonstruktion ab. 99 00:04:59,360 --> 00:05:03,280 Sie werden daher auch verstehende oder rekonstruktive Instrumente genannt. 100 00:05:03,280 --> 00:05:06,760 Wenn wir Menschen, Biografien oder Momente ihres Erlebens 101 00:05:06,760 --> 00:05:10,080 nachvollziehen wollen, dann nutzen wir idiografische Instrumente. 102 00:05:10,080 --> 00:05:14,920 Beispiele für idiografische Instrumente sind: Das biographisch-narrative Interview, 103 00:05:14,920 --> 00:05:17,360 das Problem Netz und Ressourcenlandkarten, Begriff 104 00:05:17,360 --> 00:05:19,920 Der Begriff nomothetisch stammt vom griechischen Wort 105 00:05:19,920 --> 00:05:23,680 “thetikós ab”, was so viel bedeutet wie bestimmend oder gesetzgebend. 106 00:05:23,680 --> 00:05:27,000 nomothetische Verfahren basieren auf allgemeingültigen Grundlagen, 107 00:05:27,000 --> 00:05:30,040 wodurch Informationen vergleichend eingeordnet werden können. 108 00:05:30,040 --> 00:05:34,480 Ein Beispiel hierfür ist die Erhebung der Anzahl von Kontakten im sozialen Netzwerk 109 00:05:34,480 --> 00:05:35,640 von Adressat*innen. 110 00:05:35,640 --> 00:05:37,880 Bestenfalls gibt es sogar eine repräsentative 111 00:05:37,880 --> 00:05:41,120 Vergleichsgruppe. Dann können wir Aussagen darüber treffen, was es zum Beispiel 112 00:05:41,120 --> 00:05:44,680 für die Lebenszufriedenheit oder wahrgenommene soziale Unterstützung bedeutet, 113 00:05:44,680 --> 00:05:48,400 dass Klient*innen (im Vergleich zum Durchschnitt) wenig oder viele Kontakte haben. 114 00:05:48,400 --> 00:05:51,720 Da nomothetitsche Instrumente versuchen Zusammenhänge zu erklären, 115 00:05:51,720 --> 00:05:53,880 werden sie auch erklärende Instrumente genannt. 116 00:05:57,120 --> 00:06:00,000 Hier ist eine Auflistung aller Gütekriterien idiografischer Verfahren 117 00:06:00,000 --> 00:06:02,520 und nein, ihr müsst euch die jetzt nicht alle merken, 118 00:06:02,520 --> 00:06:04,160 wir gehen die Stück für Stück durch. 119 00:06:04,160 --> 00:06:06,400 Verfahrensdokumentation: Bedeutet, dass wir alle 120 00:06:06,400 --> 00:06:08,320 Schritte des diagnostischen Prozesses 121 00:06:08,320 --> 00:06:12,080 für uns und für andere nachvollziehbar und akkurat dokumentieren. 122 00:06:12,080 --> 00:06:17,040 Dabei sollten wir klar zwischen Beobachtung, Erklärung, Bewertung und Interpretation trennen. 123 00:06:17,040 --> 00:06:18,280 Kolleg*innen sollte es auf 124 00:06:18,280 --> 00:06:21,840 Grundlage der Dokumentation möglich sein, unsere Schlüsse zu verstehen. 125 00:06:21,840 --> 00:06:23,840 Eine adäquate Dokumentation schafft 126 00:06:23,840 --> 00:06:25,360 also maximale Transparenz. argumentative Interpretations Absicherung. 127 00:06:25,360 --> 00:06:27,680 Argumentative Interpretations Absicherung: 128 00:06:27,680 --> 00:06:29,880 Wird der Beleg von Interpretationen bezeichnet. 129 00:06:29,880 --> 00:06:30,600 Ähnlich wie wir 130 00:06:30,600 --> 00:06:33,600 in einer wissenschaftlichen Hausarbeit Erkenntnisse belegen müssen, 131 00:06:33,600 --> 00:06:36,680 sollten wir in der Lage sein, unsere Interpretation an konkreten 132 00:06:36,680 --> 00:06:40,000 Aussagen von Klient*innen sowie Fachliteratur festzumachen. 133 00:06:40,000 --> 00:06:41,480 Zum Beispiel sollten wir erklären können, 134 00:06:41,480 --> 00:06:45,520 warum wir den Alkoholkonsum einer Person als Sucht bzw. negative 135 00:06:45,520 --> 00:06:49,280 Bewältigungsstrategie einordnen und nicht als unbedenklichen Genuss. 136 00:06:49,280 --> 00:06:52,640 Bezieht man sich bei seiner Interpretation auf theoretische Kenntnisse 137 00:06:52,640 --> 00:06:56,280 aus der Psychologie, Soziologie, Pädagogik usw., 138 00:06:56,280 --> 00:06:57,960 dann muss das mit Quellen belegt sein. 139 00:06:57,960 --> 00:07:00,200 Das nennt man auch “theoretische Sättigung”: 140 00:07:00,200 --> 00:07:04,320 Wenn eine Deutung ausreichend belegt ist, dann ist sie theoretisch gesättigt. 141 00:07:04,320 --> 00:07:05,880 Regelgeleitetheit: 142 00:07:05,880 --> 00:07:09,080 Bezieht sich tatsächlich auf Regeln. Beispielsweise auf die Regeln 143 00:07:09,080 --> 00:07:13,120 des hermeneutischen, phänomenologischen und tiefenhermeneutischen Verstehens. 144 00:07:13,120 --> 00:07:14,920 Falls euch das grad nichts sagt: Kein Problem, 145 00:07:14,920 --> 00:07:16,840 darüber haben wir in unserem letzten Video gesprochen. 146 00:07:16,840 --> 00:07:20,520 Außerdem geben Verfahren oft ganz konkrete Regeln für die Vorgehensweise 147 00:07:20,520 --> 00:07:24,280 zur Datengewinnung und -interpretation vor, beispielsweise durch Anleitungen. 148 00:07:24,280 --> 00:07:27,640 Was wiederum Transparenz schafft, da man sich nicht der Willkür hingibt. 149 00:07:27,640 --> 00:07:29,840 Nähe zum Gegenstand: Die Nähe zum Gegenstand 150 00:07:29,840 --> 00:07:31,920 zeichnet sich dadurch aus, dass das Verfahren 151 00:07:31,920 --> 00:07:34,160 auf das diagnostische Objekt ausgerichtet ist. 152 00:07:34,160 --> 00:07:37,240 Geht es beispielsweise um die Lebens- und Beziehungsthemen von Klient*innen, 153 00:07:37,240 --> 00:07:39,640 dann ergibt es Sinn, dass man hierauf den Fokus legt 154 00:07:39,640 --> 00:07:41,840 und nicht ausschließlich über Fußball spricht. 155 00:07:41,840 --> 00:07:43,840 Die Nähe zum Gegenstand und damit auch 156 00:07:43,840 --> 00:07:47,560 die Güte der Informationen wird durch die Art des Vorgehens sichergestellt. 157 00:07:47,560 --> 00:07:48,800 Kommunikative Validierung: 158 00:07:48,800 --> 00:07:52,480 Hat man seine Ergebnisse gesichtet, gewichtet und interpretiert, 159 00:07:52,480 --> 00:07:56,480 macht man diese Klient*innen und anderen Fachkräften der Sozialen Arbeit transparent. 160 00:07:56,480 --> 00:08:00,520 Es geht um den Abgleich sowohl mit Klient*innen als auch mit anderen Fachkräften, 161 00:08:00,520 --> 00:08:03,480 ob man zu anderen, ähnlichen oder gleichen Schlüssen gelangt. 162 00:08:03,480 --> 00:08:07,080 So kann herausgefunden werden, ob Klient*innen richtig verstanden wurden. 163 00:08:07,080 --> 00:08:10,800 Die Validität - auch Gültigkeit - hängt also von der Übereinstimmung, 164 00:08:10,800 --> 00:08:12,920 die kommunikativ hergestellt werden kann, ab. 165 00:08:12,920 --> 00:08:14,400 Also hohe Übereinstimmung, 166 00:08:14,400 --> 00:08:18,720 gleich hohe Validität und geringe Übereinstimmung, gleich geringe Validität. 167 00:08:18,720 --> 00:08:22,920 Triangulierung: Meint, dass zwei Perspektiven durch eine weitere ergänzt werden. 168 00:08:22,920 --> 00:08:25,440 Beispielsweise werden idiografische Daten durch 169 00:08:25,440 --> 00:08:26,880 nomothetisch gewonnene Daten ergänzt. 170 00:08:26,880 --> 00:08:28,600 Die Triangulation bestünde 171 00:08:28,600 --> 00:08:32,800 dann aus der Sicht bzw. Interpretation der Fachkraft, den idiografischen 172 00:08:32,800 --> 00:08:34,080 und den nomothetischen Daten. 173 00:08:34,080 --> 00:08:37,400 Auch die Kommunikative Validierung kann als Triangulierung zählen. 174 00:08:37,400 --> 00:08:41,160 Hier kommt den Perspektiven der eigentlichen Fachkraft, der*des Klient*in 175 00:08:41,160 --> 00:08:44,800 noch die Meinung einer weiteren, nicht am Fall beteiligten Fachkraft hinzu. 176 00:08:44,800 --> 00:08:48,160 Auch die eben angesprochene Argumentative Interpretationsabsicherung 177 00:08:48,160 --> 00:08:51,880 kann als Triangulierung gelten, sofern neben Aussagen von Klient*innen 178 00:08:51,880 --> 00:08:54,440 auch noch theoretische Kenntnisse hinzugezogen werden. 179 00:08:54,440 --> 00:09:00,200 Dann besteht die Triangulierung aus der Sicht der Fachkraft, der Aussagen der*des Klient*in und theoretischen Kenntnissen. 180 00:09:00,200 --> 00:09:02,200 Stellt euch einfach eine Triangel vor, 181 00:09:02,200 --> 00:09:06,440 sobald alle drei Positionen mit unterschiedlichen Sichten bzw Positionen, 182 00:09:06,440 --> 00:09:10,440 egal ob Personen oder Literatur, besetzt sind, kann man von Triangulation sprechen. 183 00:09:13,680 --> 00:09:16,720 Hier eine Auflistung der nomothetischen Gütekriterien. 184 00:09:16,720 --> 00:09:20,960 Reliabilität: Unter Reliabilität, auch Messgenauigkeit genannt, 185 00:09:20,960 --> 00:09:22,520 verstehen wir, dass ein Verfahren 186 00:09:22,520 --> 00:09:26,320 unter den gleichen Umständen immer zum gleichen Ergebnis kommt. 187 00:09:26,320 --> 00:09:30,920 Beispiel hierfür ist ein Lineal, bei dem die Abstände zwischen den Strichen nicht stimmen. 188 00:09:30,920 --> 00:09:33,040 Man kann damit zwar immer noch Länge messen, 189 00:09:33,040 --> 00:09:36,080 aber eben nur die, die durch das Lineal vorgegeben ist. 190 00:09:36,080 --> 00:09:40,200 Mit anderen Linealen vergleichbare Informationen erzeugt man hierdurch nicht. 191 00:09:40,200 --> 00:09:44,240 Und genau darum geht es ja, generalisierte Informationen zu erzeugen. 192 00:09:44,240 --> 00:09:44,960 Validität: 193 00:09:44,960 --> 00:09:50,320 Nußbeck beschreibt Validität so: “Das Instrument misst das, was es zu messen vorgibt”. 194 00:09:50,320 --> 00:09:52,880 Um bei unserem Beispiel des Lineals zu bleiben. 195 00:09:52,880 --> 00:09:56,160 Instrumente sind nur für bestimmte Gegenstände geeignet. 196 00:09:56,160 --> 00:09:59,240 Das Lineal ist zum Beispiel kein valides Instrument, 197 00:09:59,240 --> 00:10:02,760 um das Gewicht einer Person zu bestimmen, sondern es misst Strecken. 198 00:10:02,760 --> 00:10:05,880 Validität kann auch als Gültigkeit bezeichnet werden. 199 00:10:05,880 --> 00:10:06,920 Objektivität: 200 00:10:06,920 --> 00:10:11,680 Des Weiteren soll das Verfahren objektiv bzw. intersubjektiv sein. 201 00:10:11,680 --> 00:10:14,640 Wir haben in unseren vorherigen Videos bereits angesprochen, 202 00:10:14,640 --> 00:10:19,195 dass keine beobachter*innenunabhängige Objektivität erzielt werden kann, 203 00:10:19,200 --> 00:10:23,640 weil soziale Realität immer von ihren Akteur*innen konstruiert wird. 204 00:10:23,640 --> 00:10:24,520 Dennoch sollten die 205 00:10:24,520 --> 00:10:28,480 Ergebnisse eines Verfahrens intersubjektiv nachvollziehbar sein. 206 00:10:28,480 --> 00:10:32,640 Die intersubjektive Verständlichkeit zum Beispiel durch ein Manual, ermöglicht 207 00:10:32,640 --> 00:10:36,360 überhaupt erst die Anwendung des Verfahrens durch eine Fachkraft 208 00:10:36,360 --> 00:10:38,320 Der Grad der Objektivität steigt 209 00:10:38,320 --> 00:10:42,080 mit dem Grad der Standardisierung und der Strukturierung der Instrumente, 210 00:10:42,080 --> 00:10:45,800 sowie deren Durchführung, Auswertung und Interpretation an. 211 00:10:45,800 --> 00:10:51,200 Nußbeck sagt: “Das Instrument muss unabhängig von der Person seines Anwenders sein”. 212 00:10:51,200 --> 00:10:55,840 Damit sind zunächst die drei wichtigsten nomothetischen Gütekriterien dargelegt. 213 00:10:55,840 --> 00:10:56,760 Ökonomik: 214 00:10:56,760 --> 00:10:59,280 Außerdem muss das Verfahren ökonomisch sein. 215 00:10:59,280 --> 00:11:04,480 Das heißt, dass der Nutzen den Aufwand für die Diagnostikant*innen rechtfertigt. 216 00:11:04,480 --> 00:11:09,240 Ein Verfahren darf also nicht übermäßig zeitliche oder finanzielle Ressourcen in Anspruch nehmen, 217 00:11:09,240 --> 00:11:13,880 wenn das in keinem Verhältnis zum Ertrag für die Adressat*innen Sozialer Arbeit steht. 218 00:11:13,880 --> 00:11:18,760 Ökonomik bezieht sich also auf den Nutzen für die Klientel der Sozialen Arbeit. 219 00:11:18,760 --> 00:11:22,120 Nützlichkeit: Nützlich sind Verfahren dann, wenn sie einen Mehrwert 220 00:11:22,120 --> 00:11:25,840 für die sozialarbeiterische Praxis oder die Wissenschaft haben. 221 00:11:25,840 --> 00:11:27,680 Zum Beispiel wenn ein Verfahren Aufschluss 222 00:11:27,680 --> 00:11:31,760 darüber gibt, ob eine oder welche Intervention angezeigt ist, oder 223 00:11:31,760 --> 00:11:34,920 wenn die Erkenntnisse einen Beitrag zur Wissenschaft leisten. 224 00:11:34,920 --> 00:11:35,640 Kurz gesagt: 225 00:11:35,640 --> 00:11:39,680 Es geht nicht um Diagnostizieren, um des Diagnostizieren Willens. 226 00:11:39,680 --> 00:11:40,320 Fairness: 227 00:11:40,320 --> 00:11:41,080 Fairness bedeutet, 228 00:11:41,080 --> 00:11:45,200 dass wir zur Erfassung eines Gegenstandes nur relevante Daten erheben. 229 00:11:45,200 --> 00:11:49,160 Wenn wir zum Beispiel den Grad der kommunikativen Teilhabe einer Person 230 00:11:49,160 --> 00:11:50,800 in einer Gruppe feststellen wollen, 231 00:11:50,800 --> 00:11:54,520 so sollte deren finanzielle Situation erstmal keine Rolle spielen. 232 00:11:54,520 --> 00:11:57,400 Wenn allerdings durch fehlende finanzielle Ressourcen 233 00:11:57,400 --> 00:12:01,480 tatsächlich Teilhabe verwehrt wird, sollte das natürlich berücksichtigt werden. 234 00:12:01,480 --> 00:12:05,000 Besonderes Augenmerk sollte auf kulturelle Unterschiede gelegt werden. 235 00:12:05,000 --> 00:12:09,040 Diese dürfen aufgrund der normativen Haltung der Profession Sozialer Arbeit 236 00:12:09,040 --> 00:12:10,760 nicht negativ ausgelegt werden. 237 00:12:10,760 --> 00:12:12,680 So wäre es beispielsweise unfair, 238 00:12:12,680 --> 00:12:15,680 wenn einem Geflüchteten ohne hinreichende Deutschkenntnisse 239 00:12:15,680 --> 00:12:19,200 ein deutscher Fragebogen zur Kindeswohlgefährdung vorgelegt würde. 240 00:12:19,200 --> 00:12:21,960 Normiertheit: Normiert ist optional. 241 00:12:21,960 --> 00:12:25,480 Nicht normierte Verfahren können entlang der vorgenannten Kriterien 242 00:12:25,480 --> 00:12:27,400 trotzdem eine hohe Güte aufweisen, 243 00:12:27,400 --> 00:12:29,840 aber normierte Verfahren bilden das Ideal. 244 00:12:29,840 --> 00:12:33,160 Hierbei werden die Ergebnisse mit einer statistischen Norm verglichen. 245 00:12:33,160 --> 00:12:36,800 Auf dieser Basis werden generalisierte Aussagen möglich. 246 00:12:36,800 --> 00:12:39,360 Ein IQ-Test ist zum Beispiel ein normiertes Verfahren. 247 00:12:39,360 --> 00:12:43,240 Ein IQ von 100 liegt genau im statistischen Durchschnitt. 248 00:12:43,240 --> 00:12:46,360 Die getestete Person ist damit durchschnittlich intelligent. 249 00:12:46,360 --> 00:12:51,520 Ohne Referenzwerte ließe sich jedoch nicht sagen, was ein IQ von 100 bedeutet. 250 00:12:54,760 --> 00:12:58,760 Neben Gütekriterien für idiografische und nomothetische Verfahren 251 00:12:58,760 --> 00:13:01,760 gibt es auch noch Gütekriterien für Klassifikationssysteme 252 00:13:01,760 --> 00:13:05,560 Wie wir bereits im ersten Video geklärt haben, lassen sich Klassifikationssysteme nicht 253 00:13:05,560 --> 00:13:08,720 einfach unter diagnostischen Instrumenten zur Erhebung subsumieren: 254 00:13:08,720 --> 00:13:12,960 Klassifikationssysteme systematisieren und vereinfachen mit Instrumenten bereits 255 00:13:12,960 --> 00:13:17,520 gewonnene Informationen. Klassifikationssysteme gelten ebenfalls als nomothetisch, weshalb 256 00:13:17,520 --> 00:13:21,440 sie ebenfalls auf hohe Reliabilität und Validität angewiesen sind. 257 00:13:21,440 --> 00:13:26,120 Daneben sind insbesondere zwei Merkmale für die binärklassifikatorische Güte von Klassifikationssystemen ausschlaggebend: 258 00:13:26,120 --> 00:13:28,520 Die Sensitivität und die Spezifität. 259 00:13:28,520 --> 00:13:32,240 Sensitivität und Spezifität beschreiben die Wahrscheinlichkeit, 260 00:13:32,240 --> 00:13:33,080 dass eine Person 261 00:13:33,080 --> 00:13:37,080 innerhalb eines Klassifikationssystems der richtigen Kategorie zugeordnet wird - 262 00:13:37,080 --> 00:13:39,760 also der Kategorie, deren Merkmale sie hat oder nicht hat. 263 00:13:39,760 --> 00:13:43,240 Sensitivität: beschreibt die Wahrscheinlichkeit, bei Vorhandensein 264 00:13:43,240 --> 00:13:47,040 eines bestimmten Merkmals der Gruppe mit diesem Merkmal zugewiesen zu werden. 265 00:13:47,040 --> 00:13:48,360 Spezifität: beschreibt 266 00:13:48,360 --> 00:13:51,600 die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person aufgrund der Abwesenheit 267 00:13:51,600 --> 00:13:55,000 eines Merkmals zurecht der Klasse ohne Merkmal zugewiesen wird. 268 00:13:55,000 --> 00:13:55,880 Dazu ein Beispiel: 269 00:13:55,880 --> 00:13:58,400 Studierende verschiedener Fachrichtungen werden befragt, 270 00:13:58,400 --> 00:14:00,480 ob sie Soziale Arbeit studieren oder nicht. 271 00:14:00,480 --> 00:14:03,720 Es ist eine Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten: Ja und nein. 272 00:14:03,720 --> 00:14:07,280 Wenn eine Studentin wahrheitsgemäß mit Ja antwortet, wird sie zurecht 273 00:14:07,280 --> 00:14:10,320 auch der Kategorie der Soziale Arbeit Studierenden zugeordnet - 274 00:14:10,320 --> 00:14:12,040 also richtig-positiv. 275 00:14:12,040 --> 00:14:14,680 Wenn ein Student wahrheitsgemäß mit Nein antwortet, 276 00:14:14,680 --> 00:14:17,240 weil er Medienwissenschaften studiert, wird er der Kategorie 277 00:14:17,240 --> 00:14:19,680 der nicht Soziale Arbeit Studierenden zugeordnet - 278 00:14:19,680 --> 00:14:23,520 also richtig-negativ, weil das Merkmal Soziale Arbeit nicht erfüllt ist. 279 00:14:23,520 --> 00:14:27,400 Wenn nun aber eine Studentin lügt und mit Ja antwortet, obwohl sie in Wahrheit 280 00:14:27,400 --> 00:14:30,120 Agrarwissenschaften studiert wird, sie falsch-positiv 281 00:14:30,120 --> 00:14:32,520 als Studierende der Sozialen Arbeit klassifiziert. 282 00:14:32,520 --> 00:14:36,440 Wenn ein Student der Sozialen Arbeit fälschlicherweise mit Nein antwortet, 283 00:14:36,440 --> 00:14:40,480 wird er falsch-negativ der Kategorie der nicht Soziale Arbeit Studierenden zugeordnet. 284 00:14:40,480 --> 00:14:43,480 Sensitivität bezeichnet das Verhältnis der Person, die korrekt 285 00:14:43,480 --> 00:14:45,840 als Studierende der Sozialen Arbeit klassifiziert wurden, 286 00:14:45,840 --> 00:14:48,680 zu der Anzahl der Personen, die tatsächlich Soziale Arbeit studieren - 287 00:14:48,680 --> 00:14:51,360 hierzu zählen auch die falsch-negativ zugeordneten. 288 00:14:51,360 --> 00:14:53,200 Spezifität ist das Verhältnis von Personen, 289 00:14:53,200 --> 00:14:56,200 die korrekt als nicht Soziale Arbeit studierend zugeordnet wurden, 290 00:14:56,200 --> 00:14:58,920 zu den Personen, die tatsächlich nicht Soziale Arbeit studieren - 291 00:14:58,920 --> 00:15:02,400 hierzu gehören wiederum auch die falsch-positiv zugeordneten. 292 00:15:02,400 --> 00:15:05,080 Sind die Werte für Sensitivität und Spezifität 293 00:15:05,080 --> 00:15:08,240 besonders hoch, ist das Klassifikation System von hoher Güte. 294 00:15:11,480 --> 00:15:13,960 Man könnte nun annehmen, dass dieselben Kriterien, 295 00:15:13,960 --> 00:15:18,080 die für Instrumente gelten, auch für den diagnostischen Prozess gelten. 296 00:15:18,080 --> 00:15:19,800 Und bedingt mag das sogar stimmen. 297 00:15:19,800 --> 00:15:23,240 Allerdings ist der gesamte diagnostische Prozess in der Regel 298 00:15:23,240 --> 00:15:26,480 deutlich komplexer als die Durchführung von Verfahren, 299 00:15:26,480 --> 00:15:30,000 weshalb zum Beispiel das Einfangen in ein statistisches Korsett, 300 00:15:30,000 --> 00:15:34,000 verlustreiche Folgen bezüglich relevanter Information haben würde. 301 00:15:34,000 --> 00:15:38,120 Aber - und das unterscheidet unter anderem sozialarbeitswissenschaftliche 302 00:15:38,120 --> 00:15:41,520 Diagnostik elementar von anderen Fachdiagnostiken - 303 00:15:41,520 --> 00:15:46,680 in der Sozialen Arbeit unterliegen diagnostische Prozesse normativen Grundbedingungen. 304 00:15:46,680 --> 00:15:50,920 Diese führen unter anderem zu bestimmten Haltungsprinzipien Sozialer Arbeit, 305 00:15:50,920 --> 00:15:52,800 welche auch für die Diagnostik gelten 306 00:15:52,800 --> 00:15:56,520 und als normative Prozessgütekriterien ausbuchstabiert werden können. 307 00:15:56,520 --> 00:15:59,120 Als normative Prozessgütegriterien 308 00:15:59,120 --> 00:16:02,440 stellen Sie jedoch nicht nur einen Rahmen möglichen Verhaltens vor, 309 00:16:02,440 --> 00:16:06,920 sondern verpflichten Fachkräfte Sozialer Arbeit geradezu diese zu realisieren. 310 00:16:06,920 --> 00:16:10,400 Erst wenn also der diagnostische Prozess diese Gütekriterien 311 00:16:10,400 --> 00:16:13,520 erfüllt, kann von sozialarbeitswissenschaftlicher Diagnostik 312 00:16:13,520 --> 00:16:14,400 die Rede sein. 313 00:16:14,400 --> 00:16:17,880 Hier einmal eine Auflistung aller Prozessgütekriterien. 314 00:16:17,880 --> 00:16:20,040 Wie gehabt, gehe ich auf alle jetzt näher ein. 315 00:16:20,040 --> 00:16:20,960 Ideologiefrei: 316 00:16:20,960 --> 00:16:23,960 Zunächst muss der Prozess ideologiefrei sein. 317 00:16:23,960 --> 00:16:26,320 Dem wird Rechnung getragen, in dem Professionelle 318 00:16:26,320 --> 00:16:30,200 ein offenes Welt- und Menschenbild haben, welches reflektiert werden muss. 319 00:16:30,200 --> 00:16:34,360 Wir dürfen keine theoretischen Positionen in der Form bevorzugen, dass eine 320 00:16:34,360 --> 00:16:38,480 andere grundsätzlich ausgeschlossen wird, außer sie ist nachweislich falsch 321 00:16:38,480 --> 00:16:42,120 und nicht mit den ethischen Grundsätzen Sozialer Arbeit in Einklang zu bringen. 322 00:16:42,120 --> 00:16:43,240 Partizipativ: 323 00:16:43,240 --> 00:16:47,200 Darüber hinaus soll der diagnostische Prozess partizipativ gestaltet sein. 324 00:16:47,200 --> 00:16:50,680 Unsere Klient*innen sollen an der Diagnostik beteiligt werden. 325 00:16:50,680 --> 00:16:51,880 So werden zum Beispiel 326 00:16:51,880 --> 00:16:56,120 Problemdefinition und Lösungsansätze mit den betreffenden Personen 327 00:16:56,120 --> 00:16:57,720 dialogisch ausgehandelt. 328 00:16:57,720 --> 00:17:01,160 Die Partizipation der Klientel erfährt lediglich dort 329 00:17:01,160 --> 00:17:05,400 Einschränkungen, wo ethische Grundsätze der Sozialen Arbeit verletzt werden können. 330 00:17:05,400 --> 00:17:09,360 Beispielsweise bei Fragen zum Kindeswohl oder allgemein unvertretbarer 331 00:17:09,360 --> 00:17:11,080 Selbst- oder Fremdgefährdung. 332 00:17:11,080 --> 00:17:15,320 Selbstreflexiv: Das Zauberwort der Sozialen Arbeit: Reflexion. 333 00:17:15,320 --> 00:17:18,720 Natürlich muss der diagnostische Prozess auch gut reflektiert werden. 334 00:17:18,720 --> 00:17:22,880 Hierfür brauchen Fachkräfte Sozialer Arbeit (Selbst-)Reflexionkompetenz. 335 00:17:22,880 --> 00:17:27,120 Wie wir im ersten Video erfahren haben, läuft der diagnostische Prozess zirkulär ab. 336 00:17:27,120 --> 00:17:28,040 Wir reflektieren 337 00:17:28,040 --> 00:17:32,040 vor und nach jedem Schritt und überlegen, was als nächstes ansteht. 338 00:17:32,040 --> 00:17:35,400 Reflexionskompetenz ist außerdem wichtig, wenn es darum geht, 339 00:17:35,400 --> 00:17:39,360 gut informierte Entscheidung zu treffen und deren Konsequenzen abzuwägen. 340 00:17:39,360 --> 00:17:42,800 Sozialökologisch: Sozialökologisch ist der Prozess, 341 00:17:42,800 --> 00:17:46,160 wenn gemäß des Gegenstandsbereich Sozialer Arbeit das nähere 342 00:17:46,160 --> 00:17:49,320 und weitere Umfeld der Klient*innen berücksichtigt wird. 343 00:17:49,320 --> 00:17:53,200 Es werden Zusammenhänge auf der Ebene der Interaktion (Mikro-Ebene), 344 00:17:53,200 --> 00:17:54,400 der Infrastruktur (Meso-Ebene) 345 00:17:54,400 --> 00:17:58,320 und der Gesellschaft (Makro-Ebene) in den Blick genommen. 346 00:17:58,320 --> 00:17:59,400 Multidimensional: 347 00:17:59,400 --> 00:18:02,720 Eine multidimensionale Diagnostik zeichnet sich dadurch aus, 348 00:18:02,720 --> 00:18:07,560 dass sie den gesamten Menschen mitsamt seiner Vielschichtigkeit und Komplexität - 349 00:18:07,560 --> 00:18:11,440 mindestens - im Sinne eines bio-psycho-sozialen Wesens wahrnimmt. 350 00:18:11,440 --> 00:18:14,440 Mindestens, da der Mensch auch bio-psycho-sozial 351 00:18:14,440 --> 00:18:16,800 mehr ist als die Summe dieser Teile multiperspektivisch. 352 00:18:16,800 --> 00:18:17,880 Multiperspektivisch: 353 00:18:17,880 --> 00:18:20,520 Multiperspektivität bedeutet, dass Fachkräfte 354 00:18:20,520 --> 00:18:24,800 eine vielfältige Sichtweise auf Probleme und Lösungsmöglichkeiten bewahren. 355 00:18:24,800 --> 00:18:27,520 Darunter fällt auch die Einbeziehung unterschiedlicher 356 00:18:27,520 --> 00:18:31,120 Standpunkte von Fachkräften Sozialer Arbeit und die Berücksichtung 357 00:18:31,120 --> 00:18:33,120 interdisziplinärer Perspektiven. 358 00:18:33,120 --> 00:18:34,040 Ökonomisch: 359 00:18:34,040 --> 00:18:38,120 Das Kriterium der Ökonomik kennen wir ja bereits von den nomothetischen Instrumenten. 360 00:18:38,120 --> 00:18:39,240 Gemeint ist ebenfalls, 361 00:18:39,240 --> 00:18:43,200 dass der Nutzen den Aufwand aufwiegt. Die Nützlichkeit für die Klientel 362 00:18:43,200 --> 00:18:44,280 bildet den Maßstab, 363 00:18:44,280 --> 00:18:47,760 wirtschaftliche Aspekte spielen eine untergeordnete Rolle. 364 00:18:47,760 --> 00:18:51,040 Beispielsweise kann es sehr sinnvoll und sogar effizient sein, 365 00:18:51,040 --> 00:18:53,600 ein sehr umfangreiches diagnostische Verfahren 366 00:18:53,600 --> 00:18:58,040 wie die sozialpädagogische Diagnose von Mollenhauer und Uhlendorf durchzuführen, 367 00:18:58,040 --> 00:19:01,800 wenn es sich um gestaltungsdiagnostische Fragen im Rahmen einer stationären 368 00:19:01,800 --> 00:19:05,880 Unterbringung über mehrere Jahre handelt. In einer Erziehungsberatungsstelle 369 00:19:05,880 --> 00:19:08,960 ist es aufwändige Verfahren jedoch eher unangebracht. 370 00:19:08,960 --> 00:19:11,520 Es sei noch angemerkt, dass sowohl Ader und Schaper 371 00:19:11,520 --> 00:19:14,800 als auch Heiner großen Wert auf persönliche Kompetenzen legen, 372 00:19:14,800 --> 00:19:18,720 die Voraussetzung für eine gelingende und professionelle Diagnostik 373 00:19:18,720 --> 00:19:20,000 und Fallarbeit sind. 374 00:19:20,000 --> 00:19:25,560 Maja Heiner stellt drei bereichsbezogene sowie drei prozessbezogene Handlungskompetenzen vor, 375 00:19:25,560 --> 00:19:28,280 die vor allem für Fallverstehen von Bedeutung sind. 376 00:19:28,280 --> 00:19:31,960 Aus unserem letzten Video wissen wir, dass Fallverstehen und generell 377 00:19:31,960 --> 00:19:35,920 die Beschäftigung mit dem Fall eine zentrale Rolle in der Diagnostik spielen. 378 00:19:35,920 --> 00:19:38,760 Als Bereichsbezogene Kompetenzen fast Sie Selbstkompetenz, 379 00:19:38,760 --> 00:19:41,960 Fallkompetenz und Systemkompetenz. 380 00:19:41,960 --> 00:19:45,400 Diese beziehen sich wiederum auf die drei prozessbezogenen 381 00:19:45,400 --> 00:19:48,600 Kompetenzen: Planungs- und Analysekompetenz, Interaktions- und 382 00:19:48,600 --> 00:19:53,480 Kommunikationskompetenz und Reflexions- und Evaluationkompetenz. 383 00:19:56,720 --> 00:19:58,160 Also, fassen wir zusammen. 384 00:19:58,160 --> 00:20:02,160 Ihr wisst nun, warum wir Gütekriterien benötigen und wie die unterschiedlichen 385 00:20:02,160 --> 00:20:03,000 Gütekriterien aussehen. 386 00:20:03,000 --> 00:20:06,280 Somit könnt ihr das Argument, dass die Diagnostik in der Sozialen Arbeit 387 00:20:06,280 --> 00:20:10,240 verdinglichend sei, nun entkräften und das sogar auf mehreren Ebenen. 388 00:20:10,240 --> 00:20:14,800 Denn die Gütekriterien sind vielseitig und setzten an unterschiedlichen Punkten der Diagnostik an, 389 00:20:14,800 --> 00:20:16,480 sodass im diagnostischen Prozess 390 00:20:16,480 --> 00:20:19,520 immer sichergestellt ist, dass eben nicht verdinglicht wird. 391 00:20:19,520 --> 00:20:21,720 Sollte es dennoch zu einer Verdinglichung kommen, 392 00:20:21,720 --> 00:20:24,920 dann handelt es sich dabei nicht um eine Diagnostik der Sozialen Arbeit. 393 00:20:24,920 --> 00:20:29,240 Außerdem ist dann nicht die Diagnostik zu hinterfragen, sondern die Person, 394 00:20:29,240 --> 00:20:30,440 die sie durchgeführt hat. 395 00:20:30,440 --> 00:20:32,960 Wie bei allen Dingen kommt es auf den*die Anwender*in 396 00:20:32,960 --> 00:20:35,880 an, ob sie positiv oder negativ genutzt werden. 397 00:20:35,880 --> 00:20:37,160 Dieses Video ist das letzte 398 00:20:37,160 --> 00:20:41,400 in einer Reihe von Grundlagenvideos zur Diagnostik in der Sozialen Arbeit. 399 00:20:41,400 --> 00:20:46,120 Mit unseren nächsten beiden Videos wenden wir uns verstärkt der Netzwerkdiagnostik zu.